Bericht Flurgrenzwanderung 20.06.2019

Flurgrenzwanderung und Besichtigung der „Gänheim-Bank“ mit großer Beteiligung

Gänheim – Der Vereinsring hatte Wander- und Geschichtsfreunde zu einer Begehung der östlichen Flurgrenze mit Besichtigung der „Gänheim- oder Gänheimer-Bank“ eingeladen. Mit über 60 Teilnehmern ging es am Fronleichnamstag um 9:00 Uhr früh los (Die Messfeier in Gänheim war erst am Abend).

Nach der Begrüßung durch den Vereinsringvorsitzenden Bastian Weippert führte Willi Albert die Wandergruppe durch die 1978 gebauten Eisenbahn- und B26-Unterführungen den Ruppertzainter Berg hinauf, der 1933/34 vom damaligen „Reichsarbeitsdienst“ von Hand oben abgegraben und unten aufgefüllt wurde. Der „RAD“ war im Ostflügel des Pfründnerspitals in Arnstein untergebracht und marschierte täglich zur Baustelle. Die Ortsverbindung Gänheim-Ruppertzaint war in den 1950er Jahren ein Schotterweg. Der Berg wurde mit Betonplatten versehen und der gesamte Weg 1967/68 für ca. 260 000 DM asphaltiert.

Ruppertzaint wurde 1286 erstmalig als „Ruprechtshayn“ beurkundet. Die letzten Grundherren waren die Freiherren von Würtzburg. 1848 erfolgte die Aufteilung der 600 Morgen Äcker, Wiesen und Wälder unter den vier Familien.

Am Eingang des Weilers zitierte Willi Albert aus dem Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“, Ausgabe 19/1985, Gabriele Wittek: „Mein nächstes Anliegen wäre ein Bauernhof“ sprach sie und die „Kosmobio-Nahrungs GmbH“ kaufte für 900 000 Mark ein Anwesen im Weiler Ruppertzaint, Gemeinde Gänheim bei Arnstein, mit 15 Hektar Feld und zwei Hektar Wald. Der Bauernhof trägt den Namen „Gut zum Leben“.- Johann Juhasz hatte den Aussiedler-Hof erbaut und danach übernahm ihn die Familie Kriebel.

Der Hof der Familie Thees hatte einen Jakob Fischer als Vorfahren und daher waren sie die „Jacksch“. Den Hof Joa kaufte 1889 Johann Georg Joa (1840-1930) aus Binsfeld mit 150 Morgen Feld für 30.000 Goldmark. Zins und Tilgung zahlten die Joas bis 1964, also 75 Jahre lang. Von der Inflation der Papiermark, die 1914 zum Weltkriegsbeginn eingeführt wurde, profitierten die Joas nicht, da ihre Schuld ja auf Goldmark lautete. Georg Anton Joa (1877-1965) konnte aber seine Scheune in den Inflationsjahren 1922/23 für zwei Zentner Hafer, ein paar Pfund Butter und einen Schinken neu bauen.

Ruppertzaint erhielt die elektrische Stromversorgung erst 1948, Gänheim schon 1920. Bis dahin droschen die Ruppertzainter mit einer Dampflokomobile, die früh um zwei Uhr angeheizt wurde, damit um fünf Uhr das Dreschen begonnen werden konnte. Die Joas hatten einen stationären Rohöl-Deutz-Motor, womit sie über eine Transmission den Strohhäcksler, die Rüben-, die Schrotmühle und auch den Scheunenaufzug antrieben. Die Besonderheit beim Hof der Weißenbergers war ein Dachreiter über den Schweineställen, in dem eine Glocke hing, die um 12:00 Uhr mittags zum „Engel des Herrn“ geläutet wurde. Diese Glocke spendeten die Weißenbergers 1966 für das neu erbaute Leichenhaus im Gänheimer Friedhof. Das älteste Ruppertzainter Haus von Beßler und Treutlein ist bis zum Kellergeschoß abgetragen. Der noch bestehende „frühe Kühlschrank“, gebaut aus Sandsteinplatten, wurde von den geschichtsinteressierten Wanderern schnell als solcher erkannt.

Eine Wasserleitung besteht seit 1911 vom „oberen Seela“ aus. Im trockenen Sommer 2003 versiegte die Quelle zeitweise, so dass seit Mai 2009 die Versorgung über den Ruppertzainter Berg aus Gänheim erfolgt. Die Pumpen stehen im Feuerwehrhaus und die eingepflügte Leitung geht über 2,4 km; Kosten ca.145.000 €. Stadtrat Johannes Keidel berichtete über teils kontroverse Diskussionen im Jahre 2009.

Nun ging es weiter zur östlichen Gemarkungsgrenze an die Autobahn A7, die mit über 962 Kilometern die längste Autobahn in Deutschland ist. Die Teilstrecke Estenfeld-Werneck wurde im November 1966 eröffnet. Durch die Autobahn-Unterführung, erstellt von der Firma Glöckle aus Schweinfurt, ging es entlang der Gemarkung Zeuzleben auf dem „Rennweg“ Richtung Süden. Rennwege oder Rennsteige waren im Mittelalter für schnelle Nachrichtenübermittlungen durch Reiter bedeutsam. Diese Wege verliefen auf überschwemmungsfreien Höhen.

Die begangene Grenze ist eine Vierfache und zwar zwischen

  • den Gemarkungen Gänheim und Zeuzleben/Mühlhausen

  • der Stadt Arnstein und dem Markt Werneck

  • den Kreisen Main-Spessart und Schweinfurt

  • den Regionen Würzburg und Main-Rhön

An den ertragreichen Quellenäckern und Freygewannen vorbei ging es nun in den Wald zum Dreimärker, der aus einem Sandsteinblock gefertigt ist. Eingemeißelt sind „GZ“ für die Gemarkung Zeuzleben, „GM“ für Mühlhausen und „GG“ für Gänheim.

Ein Sandstein-Bildstock von 1906 steht auf freier Flur. Hier ging früher der Weg von Mühlhausen nach Ruppertzaint und am gleichen Standort war die „Weiße Marter“ von 1595. Das Flurstück heißt in den alten Karten noch „An der weißen Marter“.

Nach einer Brotzeitpause im schattigen Wald ging es vorbei am Mühlhäuser Holzbergwald runter zum Hühnerwäldchen bis nahe an den Autobahn-Rastplatz zu einem denkwürdigen Ort. Hier verteidigten sich am 10. April 1945 dreizehn versprengte deutsche Soldaten. Beim Beschuss durch drei US-Panzer starben zwei von ihnen, darunter ein Achtzehnjähriger aus Oberfranken, die restlichen elf ergaben sich.

Die weitere Wanderung führte über den Wernberg runter zum ehemaligen Steinbruch „Wecklein“. Hier sind die Gesteinsschichten, auch als Bänke bezeichnet, des „Oberen Muschelkalks“ aufgeschlossen und als Wand zu sehen. Diese Bänke entstanden vor 240 Millionen Jahren als Ablagerungen auf dem Meeresgrund des „Germanischen Beckens“. Die „Gänheimer Bank“ ist die noch sichtbare Schicht, die in den nächsten Jahren von herab rieselnden Schottersteinchen zunehmend verdeckt sein wird. Das Germanische Becken war ein Binnenmeer, das sich von Schlesien bis ins Elsass erstreckte, wie auch die „Gänheim Bank“. Den Namen bekam sie sicherlich, weil diese in den beiden großen Muschelkalk-Steinbrüchen Schraud und Wecklein besonders ausgeprägt zu sehen war.

Weiter ging es durch die derzeitige Autobahnbrücken-Baustelle, wo auf halbem Wege zur Aumühle die „Gänheimer Bärenjagd“ um 1930 stattfand. Der Arnsteiner „Reicherts-Beck“ kam mit seinem Einspänner von seiner Verkaufstour aus Mühlhausen zurück und berichtete am Dorfbrunnen in Gänheim dem Schmied Josef Riedmann (1884-1967) und umstehenden Jugendlichen von einem Bären an der Straße oberhalb der Aumühle. Sie bewaffneten sich und stürzten sich auf das vermeintliche Untier. Es war aber die Pferdedecke vom Gaul des Reicherts-Beck, die auf die Hecke geweht war. Nach Wochen gab Riedmann die Decke dem Beck zurück, reichlich gefüllt mit Pferdeäpfeln.

Über die Aumühle, deren Geschichte bis ins Jahr 1400 zurückreicht, ging es weiter. Sie war die leistungsfähigste Mühle im Werntal und ein Freihof des Würzburger Domkapitels. Um 1700 war der „Obere Hamüller“ der reichste Mann in Gänheim. Durch einen Brand im April 1956 endete die Mehlmühle.

Nach gut drei Stunden kamen die Wanderer zum Feuerwehrhaus Gänheim zurück und wurden hier von der Freiwilligen Feuerwehr bestens bewirtet.

albert.willi@live.de

2. Juli 2019

Stefan Wecklein