Bericht Flurgrenzwanderung 16.06.2022

Flurgrenzwanderung im Nordwesten von Gänheim

Bei bestem Sommerwetter Kultur und Natur genossen

GÄNHEIM – Nachdem der Vereinsring 2019 die Nordostgrenze mit Ruppertzaint, den Steinbruch mit der „Gänheim-Bank“ und die Aumühle durchwandert hatte, ging es nun zur Nordwestgrenze. Der Einladung folgten weit über 50 große und auch kleine Wanderinnen und Wanderer.

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden Bastian Weippert am Feuerwehrhaus führte Willi Albert die stattliche Wandergruppe durch die Eisenbahn- und Bundesstraßen-Unterführungen westwärts neben der B26 in Richtung Arnstein. Der erste Steinbruch war bereits 1980 aufgefüllt, bepflanzt und ist als solcher nicht mehr erkennbar. Im zweiten Steinbruch sind noch Reste von Bienenständen des früheren Besitzers zu sehen. Am gesamten Südhang des Kindleinsberges, der im ortsnahen Bereich auch Herrgottsberg heißt, war bis um 1900 Weinbau. Der Gänheimer Wein war allerdings nach der Chronik „von mäßiger Güte“.

Die Werntal-Eisenbahn wurde nach dem Krieg 1870/71 als „Kanonenbähnle“ durch die Preußen geplant. Sie hatten schnelle Truppenverlegungen aus dem Raum Bamberg in Richtung Frankreich im Sinn. 1879 fuhr die Bahn erstmals durch das Werntal. Aber erst 1890 erhielt Gänheim auf Betreiben von Pfarrer Euchar Müller (1839-1918) eine Haltestelle, die 1897 zur Bahnstation ausgebaut wurde. Die Personenbeförderung ging bis 1975, dann nur noch Güterverkehr.

In der Gänheimer Chronik erzählt der Chronist Richard Redelberger 1921 folgende Begebenheit aus dem Jahre 1812:

Der Großvater des Erzählers musste eine requirierte Butte Most (Wein) in die „Mehle“ hinaustragen. Neben ihm ritt ein Franzose. Als sie am Herrgottsberg ankamen, warf der Bauer die Butte zu Boden und rannte in die Weinberge. Der Franzose konnte mit seinem Pferd wegen der Weinbergspfähle nicht folgen. Aber er sprengte die Straße entlang und war dem Flüchtling hart auf den Fersen. Der Bauer fand aber gerade noch so viel Zeit, um zu Hause rasch im Schlot empor zu kriechen, wo er sich solange ruhig verhielt, bis der Franzose alle Versuche, ihn aufzufinden, aufgab.

An der Gemarkungsgrenze nach Arnstein steht am noch vorhandenen Teilstück der alten B26 ein Gedenkstein für die hier 1966 tödlich verunglückte Maria Schraud aus Rieden. Sie war die Gattin des Steinbruchbesitzers Jost Schraud. Er betrieb den großen Muschelkalk-Steinbruch am Steinbruchsberg bis ins Jahr 1972.

Nun ging es Richtung Norden dem „Gränz-“ oder „Markschädingsgraben“ entlang hoch zum Lehmenholz. Hier erinnert der „Lehmenäcker-Bildstock“ an ein Unglück im Jahre 1907.

Rechts der weiteren Route verläuft im Tal der „Kitzenloch-Graben“ und links liegt das „Entenloch“ auf Arnsteiner Gemarkung. Nun wurde exakt auf 300 Metern Meereshöhe die Gemarkung Schraudenbach erreicht. Hier ist auch die Grenze zum Markt Werneck, zum Landkreis Schweinfurt und zur Region Main-Rhön. Die Teilnehmer konnten auf der Mehlenhöhe (308 Meter) bis weit in die Rhön und rüber ins Schweinfurter Land blicken.

Weiter Richtung Osten wurde das Gelände der „Luftsportfreunde Schraudenbach“ erreicht und eine Erfrischungspause eingelegt. Hier bot sich auch die Gelegenheit, die Luftsportgeräte ganz aus der Nähe zu betrachten. Der Mitwanderer Toni Gutbrod aus Gänheim ist aktiver Flieger und auch Kassier im Luftsportverein.

Weiter ging es jetzt südwärts und der Aussiedlerhof „Lindenhain“ kam ins Blickfeld.

Der Hof der Familie Keidel gilt als erster Biobetrieb in Unterfranken. Theo Keidel (1935-1999) lernte die biologisch-dynamische Landbauweise nach Dr. Rudolf Steiner (Waldorfschulen) kennen. Die Landwirtschaft wird seit 1955/56 ohne Kunstdünger und ohne Spritzmittel betrieben. Es ist auch der letzte Milchviehbetrieb in Gänheim. Mitwanderer und Stadtrat Johannes Keidel gab weitere Informationen aus erster Hand.

Oben am „Firschelt“ soll sich die „Sage um die ungetreuen Feldgeschworenen“ zugetragen haben. Richard Redelberger berichtete 1927: Kaspar Kirsch und Andreas Schloder sollen Grenzsteine am „Firschelt“ zu ihrem Vorteil verrückt haben. Als vermutliche Buße hierfür hat Kaspar Kirsch 200 Gulden der Kirche gespendet und wurde auch darin begraben. Andreas Schloder hat 1728 das Friedhofskreuz errichten lassen, das heute noch besteht. Die Schloder (oder auch Schloter) waren Vorbesitzer der „Kaisermühle“.

Weiter talwärts war das „Firschelts-Brünnle“, wo - ebenfalls der Sage nach - die kleinen Kinder von der Hebamme geholt wurden. Infolge der Verlegung von Drainagen bei der Flurbereinigung in den 1950er Jahren ging das „Brünnle“ ein. Am Fuß des Berges steht das „Firschelts-Kreuz“, ein Flurkreuz aus heimischem Sandstein von 1882 im Stil des „Historismus“ und in gutem Erhaltungsstand.

Für die Verpflegung bei der gelungenen Wanderung sorgte die Freiwillige Feuerwehr Gänheim. Julian Göbel steuerte auch diesmal das Begleitfahrzeug.

albert.willi@live.de

19. Juni 2022

Stefan Wecklein